Stefan Baumann über Identitätskonsum und Social Design

Geschrieben von Super User. Veröffentlicht in OptEntials Marketing Know How

Konsumenten wollen sich entwickeln!

 

Stefan Baumann

31.05.2014

Sie wählen einen Hersteller nicht danach aus, was er verkauft, sondern warum er etwas anbietet. Das Marketing muss daher überraschen und irritieren. Marken-Konsumpsychologe Stefan Baumann spricht im Interview über Kundenzufriedenheit und die notwendige Neupositionierung von Marken.

 

Herr Baumann, womit stellt man heute Kunden zufrieden?

STEFAN BAUMANN: „Zufriedenheit“ bezieht sich ja in erster Linie auf artikulierbare Bedürfnisse. Dem Konsumenten geht es aber immer mehr um seine latenten Sehnsüchte, Konflikte und Ängste. Deshalb müssen wir im Marketing überraschen, irritieren und zur Verhaltensänderung motivieren. Wir arbeiten an der Unzufriedenheit. Viele Konsumenten befinden sich heute im „Werden“-Modus, das heißt, sie wollen sich entwickeln. Die Aufgabe von Marken besteht heute darin, ein Ökosystem von Produkt-Services anzubieten, die im Leben der Konsumenten eine sinnerfüllte Rolle spielen. Im 21. Jahrhundert liegt das wahre Kapital der Marken vor allem darin, die Beziehungen zwischen Menschen zu intensivieren, um den kulturellen Veränderungen zu folgen und sie voranzubringen.

Welches sind die neuen, zentralen Rahmenbedingungen im digitalen Zeitalter, die im Marketing berücksichtigt werden müssen?

BAUMANN: Die fortschreitende Digitalisierung de-materialisiert nicht nur Objekte des Alltags, sondern auch das Verhältnis der Konsumenten zu Marken. Menschen werden zu (sozialen) Medien in der Netzwerkökonomie und dadurch ändern sich die Marketingtechniken enorm. Das traditionelle B-to-C-Marketing weicht heute einer Business-to-Network-Kommunikation, in der vor allem Beziehungen produziert werden, zumeist über Content-Marketing und Service-Design-Strategien. In einem derart veränderten Kommunikations-Umfeld geht es darum, die Beziehungen und Bedeutungen innerhalb einer Marken-Community zu intensivieren und die Konsumenten als Teil des aktiven Markendiskurses zu betrachten. Wir nennen diese neue Anforderung an das Marketing „Social Design“.

Reichen die Positionierungsstrategien von heute noch für diese Welt aus?

BAUMANN: Klassische Positionierungen sind leider sehr statisch, eindimensional und schwer in Markenverhalten zu übersetzen. Wir teilen den Gedanken von Simon Sinek, der besagt, dass Kunden einen nicht für das kaufen, was man produziert, sie interessieren sich vielmehr für die Frage, warum man es produziert. Woher aber kommt das Warum? Jedes Warum braucht einen kulturellen Konflikt, den eine Marke verspricht, zu lösen. Marken entwickeln ihre Anziehungskraft aus den Spannungsfeldern, die sie bespielen. Wenn eine Marke auf der einen Seite für Individualität steht und auf der anderen Seite für eine fast sozialistische Gemeinschaft, für „selbst bauen und aufstellen“ und gleichzeitig für „fröhlich, bunt und leicht“, dann hat sie, wie Ikea, mehrere Energieströme zugleich angezapft. Aus ihnen kreiert sie ihre Geschichten und schreibt sich dabei fest in die Kultur des Wohnens ein. Nur dann besitzt eine Marke ein „Warum“. Marken, die nur aus einer Ansammlung von wünschenswerten Attributen und Werten bestehen, haben keine kulturelle Bedeutung. Sie bringen uns nirgendwohin.

 

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